Medikamente
Rezeptfreie Selbstmedikation im Kindesalter: harmlos?
Wenn Kinder unter Erkältungssymptomen, Durchfall, Schmerzen oder Übelkeit leiden, versuchen viele Eltern auch ohne ärztliche Rücksprache ihre Kinder mit frei verkäuflichen „Over-the Counter“(OTC)-Medikamenten zu behandeln.
Ist das sinnvoll? Ist das ungefährlich? Oder könnte da auch etwas „schiefgehen“?
Ganz allgemein: Nicht rezeptpflichtig heisst nicht nebenwirkungsfrei.
Und wenn etwas im Regal der Apotheke steht oder von den MitarbeiterInnen der Apotheke empfohlen und verkauft wird, bedeutet das nicht (immer), dass das Präparat auch hilft (abgesehen von einem möglichen Placebo-Effekt).
Einige rezeptfreie Präparate haben zuweilen gar keinen Effekt und/oder können zudem erhebliche Nebenwirkungen haben. Mischpräparate mit unterschiedlichen „Wirkstoffen“ sind generell zu vermeiden.
Ibuprofen und Paracetamol sind vergleichsweise sicher, wenn sie richtig dosiert und in richtigen Intervallen eingesetzt werden.
Achtung: Aspirin ist für Kinder < 12 Jahre zur Schmerz- und Fieberbehandlung verboten!
Am häufigsten werden bei Kindern Schmerz- und Fiebermittel wie Ibuprofen und Paracetamol in der Selbstmedikation eingesetzt. Beide Medikamente gibt es als Saft und Zäpfchen.
Allerdings lässt sich der Saft genauer an das jeweilige Körpergewicht anpassen, kann aber vom Kind leichter „verweigert“ werden.
Generell gilt, dass beide Präparate eher gegen „Unwohlsein“ und Schmerzen eingesetzt werden sollten. Eine Fiebersenkung an sich bei einem Kind in sonst gutem Allgemeinzustand ist nur sehr selten sinnvoll (z.B. bei schweren und chronischen Stoffwechsel-, Lungen- oder Herzerkrankungen.
Wichtig ist, dass es dem Kind etwa 60-90 Minuten nach Gabe (und dann für 6-8 stündliche Gabe) klinisch deutlich besser geht. Ist das nicht der Fall, sollte eine ärztliche Rücksprache und/oder Vorstellung erfolgen.
Ibuprofen
Ibuprofen ist ab einem Alter von 3 Monaten zugelassen. Es ist – in den empfohlenen Dosierungen (8-10mg/kg/Dosis alle 6-8 Stunden) für eine definierte Zeit (5-7 Tage) gegeben – ein vergleichsweise „sicheres“ Medikament. Selbst bei bei versehentlicher Überdosierung drohen in der Regel „nur vorübergehende Schäden“ (Nieren, Magen-Darm-Trakt). Ibuprofen sollte als Saft eher nicht zusammen mit der Nahrung eingenommen werden, da sich der Wirkeintritt unnötig verzögert. Ibuprofen sollte bei Kindern mit Nierenerkrankungen eher nicht (bzw. nur nach ärztlicher Rücksprache) gegeben werden.
Paracetamol
Aspirin
„Erkältungssalben“ helfen nicht wirklich und sollten bei Säuglingen und Kleinkindern gar nicht eingesetzt werden.
Hustensäfte zur Sekretlösung haben keinen nachgewiesenen Effekt. Spezielle „Hustenstiller“ helfen möglicherweise etwas, bringen aber selten die Lösung.
Bei Erkältungssymptomen mit Husten und Schnupfen reiben Eltern häufig Salben auf „pflanzlicher Basis“ (z.B. Wick oder Babix) auf die Haut. Diese sollen über ätherische Öle Linderung bringen. Dabei können manche Präparate gerade bei Säuglingen und Kleinkindern Krampfanfälle, Schwellungen der Atemwege und unangenehme Hautreizungen verursachen. Zuweilen werden damit die Schleimhäute nur noch mehr gereizt und damit die Entzündung „angeheizt“. Bei Kindern < 3 (-6) Jahre sind sie daher generell zu vermeiden.
Pflanzliche Hustensäfte zum Verflüssigen des Sekrets z.B. mit Extrakten aus u.a. Efeu (z.B. Prospan), Thymian/Efeu (z.B. Bronchipret), Eibischwurzel (z.B. Phytohustil, Silomat) oder Isländisch Moos (z.B. Aspecton) haben zwar keine relevanten Nebenwirkungen, wirken aber auch nicht wirklich. Das gleiche gilt für Hustensäfte, die Ambroxol (z.B. Mucosolvan) oder Acetylcystein (z.B. ACC Hustensaft) enthalten.
Zur Hustenstillung wird häufig Dextromethorphansaft eingesetzt, der aber erst ab 12 Jahren empfohlen ist, dessen Wirkung bei Kindern nicht erwiesen ist und der durchaus Nebenwirkungen haben kann. Noscapin (z.B. Capvalsaft, ist aber verschreibungspflichtig) ist in der richtigen Dosierung ein vergleichsweise sicheres Präparat mit wenigstens etwas Wirkung gegen Reizhusten.
Hustenstiller sollten (wenn überhaupt) ohnehin nur selten und bei sehr starkem (das Kind stark beeinträchtigenden) Reiz-Husten (der oberen Atemwege) eingesetzt werden. Husten (v.a. bei Infekt der tieferen Atemwege) ist ein sehr sinnvoller Reflex, die Atemwege von Sekreten und Erregern zu befreien. Insoweit sollten Hustenstiller bei Bronchitis, Asthma und Lungenentzündungen besser nicht gegeben werden. Hier kommen besser Inhalationen mit NaCl (0.9% oder 3%) oder je nach Erkrankung mit Salbutamol bzw. Kortison in Frage (letztere sind aber verschreibungspflichtig)
Vorsicht bei abschwellenden Nasentropfen, besonders bei Säuglingen (und Kleinkindern)
Es gibt abschwellende Nasentropfen mit altersangepassten (Wirkstoff-) Dosierungen für Säuglinge (< 12M), Kleinkinder (1-5 Jahre) und Schulkinder (> 6 Jahre). Gerade Säuglinge und junge Kleinkinder leiden zuweilen sehr unter einer verlegten Nasenatmung, da sie dann häufig nicht gut trinken und/oder schlafen können.
Abschwellende Nasentropfen dürfen in dieser Altersgruppe keinesfalls häufiger als 3 x tgl gegeben werden. Bei Überdosierungen (durch zu häufige Gabe oder versehentlichem Griff zum Präparat für ältere Kinder) kann es zu Krampfanfällen, Atempausen oder Komata kommen. Es sind sogar schon Säuglinge verstorben!
Grundsätzlich sollte die Anwendung abschwellender Nasentropfen auf maximal 7 Tage beschränkt werden, da sonst nach Ende der Therapie ein „Rebound der Nasenschleimhautschwellung“ (wieder verlegte Nase) droht obwohl der Erreger schon abgewehrt ist. Eine sichere Alternative sind Kochsalzlösungen/tropfen mit ggf. anschließendem Absaugen (am besten mit Gerät, dass einen „Dauersog“ erzeugen kann) des dann „flüssigen“ Nasensekrets.
Bei zu erwartender längerer Therapiedauer (> 5-7d) zur Abschwellung der Nasenschleimhaut (z.B. Allergie oder Mittelohrerguss) ist u.U. kortisonhaltiges Nasenspray (verschreibungspflichtig) eine Option
Vorsicht bei Mitteln gegen Übelkeit (bei Magen-Darm-Infekt oder Reiseübelkeit) bei unter 3-Jährigen
Einige Eltern geben Antihistaminika (Diphenhydramin, Dimenhydrinat, z.B. Vomex A, Vomacur, Emesan), um Übelkeit und/oder Erbrechen bei Magen-Darm-Infekten oder Reisekrankheit zu behandeln.
Die Anwendung bei akutem Magen-Darmeffekt ist bei Säuglingen und Kleinkindern kontraindiziert! Neben Funktionsstörungen des zentralen Nervensystems verursachen diese Präparate Müdigkeit und stören die notwendigen Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme.
Für die Prophylaxe bei Reisekrankheit ist das Präparat ebenfalls nicht empfohlen, kann aber im Einzelfall (immer Rücksprache mit dem Kinderarzt/Kinderärztin) und dann sehr vorsichtig bei Kindern > 1 (3) Jahre eingesetzt werden, wenn andere nicht-pharmakologische Massnahmen keinerlei Erfolg zeigen.
Quellen:
Neubert A et al; Selbstmedikation bei Kindern unter dem Aspekt der Arzneimittelsicherheit. Monatsschr Kinderheilkd (2022); 170, 237–246; DOI: https://doi.org/10.1007/s00112-022-01420-z
